Pokémon-Biologie: Elternschaft

Geschrieben von Tikitik. Illustration von MewSkitty. Übersetzt von Cretacerus.
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Donphan & Phanpy von MewSkitty

Einführung

Die Welt der Pokémon ist riesig, und voll von abwechslungsreichen Gegenden zum Erkunden, Fragen zum Beantworten, und Themen für neue Theorien. Dies macht Pokémon-Biologie oft zu einem massiven Sturm des Unbekannten, vor dem die meisten Forscher nur allzu gerne weglaufen. Dieser Sturm, jedoch, verlangt nach Antworten, und konkreten Fakten. Keine Angst, denn unter all dem feigen Volk gibt es auch diejenigen, die voller Freude nach den rätselhaften Winden greifen. Sie schwingen sich in ihre Wagen und fahren mitten hinein in die Gefahrzone, um Antworten an die Wissbegierigen zu bringen. Und sie lieben es. Heute begeben wir uns auf eine Entdeckungsreise, um einige der interessantesten Fragen zu lösen in einem lange vernachlässigten Themenbereich, einer Debatte, die tief eintaucht in den Prozess, wie genau verschiedene Arten von Pokémon aufwachsen, und welche Mühen die Eltern für die Sicherheit ihres Nachwuchses auf sich nehmen – oder auch das genaue Gegenteil. Dazu jedoch noch später. Viel Spaß auf dem Trip!

Servus! Ich bin Tikitik, ein frischgebackener und neugieriger Pokémon Biologe, der erst kürzlich damit begonnen hat, die Erziehungsmethoden der Pokémon-Welt näher zu erforschen, und auch bei einer Dokumentation zum gleichen Thema mitgeholfen hat. Nachdem ich mit nun kurz vorgestellt hab, kann ich es kaum erwarten, meine diversen Entdeckungen und Erfahrungen zu den überraschenden Erziehungsmethoden zu teilen, zusammen mit einigen anderen interessanten Fakten.

Was mich ursprünglich so an Erziehung interessiert hat, ist die schiere Vielfalt an verschiedenen Verhaltensweisen, welche die Pokémon bei der Aufzucht ihrer Kinder zutage legen. Es gab bei praktisch jedem Pokémon einen zentralen Aspekt, der mich immer wieder aufs Neue erstaunt hat. Dabei bin ich sowohl vorbildlichen, als auch sonderbaren Methoden begegnet, mit denen Pokémon ihren Nachwuchs durch deren Kindheit hindurch versorgen. Und obwohl es eine riesige Vielfalt an Besonderheiten unter den verschiedenen Arten gibt, existiert eine klare Linie zwischen guten, und überraschend grausamen, schlechten Eltern. Ich will nun einige Paradebeispiele von beiden Seiten vorstellen!


Gute Eltern

Donphan

Wie könnte man besser in das Thema guter Eltern einsteigen als mit diesem Vorzeigebeispiel? Nachdem wir zahlreiche Donphan-Familien gefilmt hatten, war klar, dass sie etliche Jahre ihres Lebens mit der Aufzucht ihres Nachwuchses verbringen. Dabei sollte erwähnt werden, dass Donphan in Herden leben durch unwegsame Gebirgsgegenden ziehen, und ihre Jungen für einen beträchtlichen Zeitraum hindurch versorgen. Dies kann für die Eltern unglaublich kräftezehrend sein, besonders für die Mutter. Bei unserer Dokumentation konnten wir zeigen, dass das Baby genau aus diesem Grund von einem Großteil der anderen Mütter der Herde umgeben ist, während es aufwächst, und dass diese sich mit der Versorgung und Aufsicht der Kinder regelmäßig abwechseln. Mithilfe dieses ausgefeilten Systems ist das Überleben des Neugeborenen absolut gesichert, und die Mutter kann sich hin und wieder etwas erholen, während die anderen als Babysitter einspringen.

Die Augen der extrem fürsorglichen Mutter sind stets bei ihrem Nachwuchs, denn junge Phanpy sind berüchtigt für ihre Abenteuerlust und Hyperaktivität, und in dem felsigen Gelände ihres Lebensraums kann jeder falsche Schritt fatal sein. Auf dem langen Weg zum nächsten großen Fluss, an dessen Ufern die Herde ihre Nester in vertikalen Gruben anlegt, ist es daher die Hauptaufgabe der Mutter, das Phanphy am Herumstreunen zu hindern. Im Falle eines Kampfes ist ein unvorbereitetes Kalb zudem in einer sehr schlechten Lage, obwohl viele potenzielle Räuber den Kontakt mit Phanphy zu meiden wissen, auch wenn die Mutter gerade nicht in unmittelbarer Nähe ist. Die zerstörerische Kraft von Donphans rollendem Tackle ist weithin gefürchtet von denen, die sie jemals miterlebt oder sogar gespürt haben.

Bisher lag der Fokus hauptsächlich auf den Müttern, denn die männlichen Donphan spielen für den Großteil ihres Lebens keine bedeutende Rolle in der Aufzucht der Neugeborenen; sie verlassen den Familienverband in der Regel frühzeitig, und verbringen ihr Leben als Einzelgänger, in losem Kontakt zu anderen Männchen. Ab einem bestimmten Alter, jedoch, widmen sie ihre Aufmerksamkeit der Suche nach Weibchen anderer Herden. Genau aufgrund der Abwesenheit der Männchen kann man beobachten, dass die Herden von dem weiblichen Donphan mit den größten Stoßzähnen angeführt wird, was sowohl ihr Alter als auch ihren hohen Rang als respektiertes Oberhaupt der Gruppe wiederspiegelt. Die Herde besteht zumeist aus jungen Weibchen und deren Nachwuchs, wobei die Mütter die Beziehung zu ihren Kindern auch dann fortsetzen, nachdem diese keine elterliche Versorgung mehr benötigen. Dies betrifft vor allem den weiblichen Nachwuchs, da die Männchen von dem Zeitpunkt an generell alleine abwandern, und anschließend nur noch gelegentlich mit anderen Donphan kommunizieren.

Impoleon

Es wird Zeit, die Männchen zu rehabilitieren, wenn unser Blick als nächstes auf die Impoleon-Familie fällt, dem möglicherweise besten Beispiel eines engagierten Vaters. Wenn die Mütter nach der Eiablage abwandern, um sich über einen Zeitraum von meist zwei bis drei Monaten am Meer zu erholen, fällt dem männlichen Impoleon eine wahrlich beschwerliche Aufgabe zu! Während der Vater die Sorge um das Ei übernimmt, in der Regel indem er es zwischen seinen Füßen balanciert, ist das Überleben des ungeschlüpften Nachwuchses eine wahrhaftig fragile Angelegenheit, wobei bereits kleinste Veränderungen dessen Schicksal besiegeln können. Eisige Temperaturen oder ein einziger Moment der Unachtsamkeit in der Balance des Vaters können jederzeit der Faktor sein, welcher das Leben des Kükens beendet.

Neben diesen Herausforderungen, welche Impoleons Aufgabe von Natur aus schwierig gestalten, konnten wir nachts bei den noch weiter absinkenden Temperaturen miterleben, wie Jugong nach missglückter Jagd das Ei zu ergattern versuchten. Da sie an Land bei Weitem nicht so grazil sind wie Unterwasser, sind ihre Versuche meist nicht von Erfolg gekrönt, zumal das Impoleon sie oft gerade rechtzeitig bemerkt, und mit seinen scharfen Flügelkanten verscheucht. Nichtsdestotrotz scheinen die Jugong das Ei genauso hartnäckig stehlen zu wollen, wie das Impoleon es beschützt, und beweisen sich dadurch als reinste Plage für das Kaiser-Pokémon.

Impoleon sind dafür bekannt, ihre Ehre mit allen Mitteln zu verteidigen, und genauso entschlossen schützen die Männchen auch ihr zerbrechliches Ei, notfalls bis hin zum Hungertod, da jede Bewegung durch den Vater das Ei aufgrund von Wärmeverlust gefährdet. Als ich die Gelegenheit hatte, dieses Schauspiel mit dem Filmteam vor Ort mitzuerleben, waren wir allesamt fasziniert von der unglaublichen Fürsorge und dem Heldentum der Impoleon. Wahrlich eine denkwürdige Erfahrung.

Seedraking

Nachdem wir im weiteren Verlauf der Expedition tiefer in das Meer abtauchten, ist es nicht verwunderlich, dass wir eine höchst außergewöhnliche Erziehungsmethode in diesem weiten Ökosystem der Pokémon vorfanden, das aufgrund seiner Größe nie in vollem Umfang erforscht werden kann. Wer weiß, welche Überraschungen es noch für uns bereit hält? Nachdem unser Forschungsteam in die extreme Tiefen des Meeres vorgestoßen war, fanden wir nämlich im Lebensraum von Seedraking eine unerwartete Kuriosität: männliche Schwangerschaft. Ganz recht – es sind die männlichen Seedraking, welche die Babies in ihrem schuppigen gelben Bauch austragen! Genauer gesagt besitzen sie eine sogenannte „Bruttasche“, in welche die Eier des Weibchens für eine Inkubationszeit von etwa 45 Tagen abgelagert werden, bevor diese dann als vollständig ausgebildete Seeper geboren werden.

Diese besondere Pokémon-Art scheint beim Austragen der Babies ziemlich groß zu werden, und hält sich während dieses Zeitraums bevorzugt in unbewohnten Gebieten des Meeres auf, meist submarinen Höhlensystemen, wo sie Energie sammeln und sich auf die Ankunft des neuen Lebens vorbereiten. Dies erweist sich als perfekte Umgebung für die Seedraking, da es kaum Räuber gibt, die ihr Überleben in dieser gewaltigen Tiefe bedrohen könnten. Mit nur vereinzelten Gruppen von Lampi und Lanturn in der Nähe, welche die Umgebung beleuchten und keinerlei Gefahr für Seedraking darstellen, können sie sich entspannt auf die vorstehende Geburt vorbereiten.

Apropos Unterwasserhöhlen, wir konnten endlich eine dieser albernen Pokédex-Einträge wiederlegen, nach welcher Seedraking jedes Mal gewaltige Strudel auslöst, wenn es beim Schlaf in der Höhle gähnt, und dadurch für das Verschwinden etlicher Schiffe verantwortlich sei. Aufgrund dieser Geschichten konnten wir auch ein massives Auftreten an invasiven Lumineon in den Brutregionen von Kingdra beobachten, da sie sich hier aufgrund der Sorge von lokalen Fischern um ihre Boote besonders stark vermehren konnten.

Kangama

Auf unserem Abstecher in die Graslandschaften war die Kangama-Familie das atemberaubende Highlight unserer Forschungsreise. Diese ausschließlich weibliche Art wurde in der Vergangenheit öfters bis an den Rand des Aussterbens getrieben, und besitzt auch heute nur wenige stabile Populationen, welche gesetzlich streng geschützt sind. In der Safarizone hatten wir die exklusive Gelegenheit, sie zu filmen. Als Maskottchen für zahlreiche Kindergärten ist das überfürsorgliche Wesen dieser liebevollen Pokémon Sinnbild für viele Eltern rund um den Globus. Bekannterweise sind Kangama dazu bereit, ihren Nachwuchs mit allen Mitteln zu verteidigen, und tragen es stets sicher verwahrt in ihrem Beutel mit sich. Diese beschützerische Veranlagung erreicht ihren Höhepunkt darin, dass Kangama sogar im Stehen schlafen, um das Kind in ihrem Beutel nicht zu erdrücken, und dies kontinuierlich für drei Jahre, bis das Kind schließlich unabhängig wird.

Nachdem wir die allgemeine Information aus den Pokédex-Einträgen abgedeckt haben, können wir uns nun einem wahrlich erstaunlichen Aspekt dieser Art widmen: der Fähigkeit, augenblicklich auf jegliche Gefahr für das Baby zu reagieren, und ihm stets binnen weniger Minuten zu Hilfe zu kommen. Wir hatten nie die Gelegenheit, dieses Phänomen selber zu filmen, aber viele Forscher nehmen an, dass die schnelle Reaktion der Mutter durch ein akustisches Signalsystem ermöglicht wird, wahrscheinlich durch einen lauten Hilferuf spezifisch für jedes Mutter-Kind-Paar. Obwohl ein solches Signal sehr energieintensiv für das Baby sein kann, wäre dies eine äußerst effektive Strategie, da Schall über weite Strecken hin vernommen werden kann. Das Signal führt bei Mutter und Kind zu einer Ausschüttung spezieller Pheromone, welche sie stimulieren und die Pokémon effektiver flüchten und kämpfen lassen, ganz ähnlich menschlichem Adrenalin.

Da unser Forschungsteam nicht genug von Kangama bekommen konnte, beschäftigten wir uns als nächstes mit dem Thema Mega-Steine, immer auf der Spur von Gerüchten, nach denen Kangama in einer einzigartigen Form mit seinem Mega-Stein interagiert. Es ergab sich kein klares Bild. Allerdings können wir nach rigorosem Theoretisieren und der ausführlichen Analyse eines Mega-Kangama Fotos aus dubioser Quelle vermuten, dass die Fähigkeit des Steins, die Hauptcharakteristika eines Pokémon zu verstärken, eine augenblickliche Entwicklung des Kindes zur Folge hätte, und die Mutter weitgehend unberührt ließe. Angesichts der Tatsache, das Mega Steine ein noch sehr wenig verstandenes und untersuchtes Forschungsgebiet darstellen, bleiben die Frage, warum dies nun so abläuft, und die genauen Details zum Prozess weitgehend ein Schuss ins Blaue, auch wenn die Theorie durchaus auf positive Resonanz stieß.


Schlechte Eltern

Quappo

Diese grazilen Schwimmer haben sich mit ihrer bemerkenswerten Kraft an Land eine Reputation aufgebaut als jemand, dem man nicht auf dem falschen Fuß erwischen will. Man könnte also meinen, sie könnten ihrem Nachwuchs mit ihrer unvergleichlichen Ausdauer einen mehr als hinreichenden Schutz bieten – doch damit läge man ziemlich falsch.

Ohne wirkliche Ambitionen in jeglicher Art von Kinderpflege suchen sie meist zumindest eine geeignete Stelle für ihre Eier, bevor sie davonziehen, und die zukünftigen Quapsel auf sich alleine gestellt zurücklassen. Aufgrund dieses grausamen Schicksals hat Quapsels Körper einige Veränderungen durchgemacht, um den schwierigen Start von Anfang an zu überstehen. Die ursprünglich schwachen Pokémon wären eine leichte Beute für die vielen hungrigen Räuber, wäre da nicht die extreme Elastizität ihrer semi-transparenten Haut, welche sie bei Bissen vor dem Aufreißen schützt. Obwohl Quapsel an Land noch sehr ungeschickt sind, kann man sie in der Regel aktiv in Tümpeln und Seen umherschwimmen sehn, oder zumindest in deren Nähe verharren, um eine schnelle Flucht zu ermöglichen.

Jugong

Und schon sind wir wieder zurück bei Jugong. Sie stehlen nicht nur Eier anderer Pokémon, sondern sind selber ziemlich nachlässige Eltern. Zunächst würde man das Gegenteil erwarten – die Mutter ist überaus engagiert, und versorgt ihre Jungen hingebungsvoll, in manchen Fällen bis in den Hungertod. Allerdings hält diese Verantwortung nur knapp zwei Wochen an, nach welchen das weibliche Jugong die Futterzeit für beendet erklärt, und ihr neugeborenes Jurob hilflos auf dem Eis zurücklässt, um sich erneut zu paaren. Jurobs hellblaues Fell, sein Hauptschutz gegen die Kälte, ist nach nur zwei Wochen noch nicht vollständig ausgebildet, sodass es praktisch auf dem Eis gefangen ist, abgeschlossen vom Nahrungsangebot im eisigen Wasser. Bis zur vollständigen Ausbildung des Fellkleids können nicht alle Jungen ihren Gesundheitszustand hinreichend aufrechterhalten, sodass nach einer drastischen Abnahme des Körpergewichts in dieser Hungerperiode etwa 20% der Jurob zugrunde gehen.

Pyroleo

Eines sei hier vorweg gestellt: nicht alle Pyroleo sind schlechte Eltern. Besonders die weiblichen Pyroleo, welche sich zudem um die Nahrungsversorgung, die Jagd, und andere Ressourcen kümmern, und praktisch die gesamte Erziehung übernehmen. Der Unruhestifter hier ist der gnadenlose, habgierige, und faule Vater. Während die weiblichen Pyroleo den bereits genannten Aktivitäten nachgehen, um das Überleben sowohl der Erwachsenen als auch des Kindes zu sichern, und gelegentlich auch als dessen Bodyguard agieren, sitzt das Männchen hauptsächlich herum und wartet darauf, dass die Weibchen mit Beute zurückkehrt. Zudem bedient es dann in der Regel zuerst vor dem Kind oder der Mutter, und lässt oft nur noch Reste für den Rest des Rudels übrig, besonders in Zeiten mit spärlichem Jagderfolg.

Wenn wir nun zum Hauptereignis dieses gestörten Familienlebens kommen, erwartet uns ein tragischer Ausgang. Bekannterweise leben Pyroleo in Rudeln, welche von dem Pyroleo mit der größten feurigen Mähne angeführt werden, und aus dieser Hierarchie lässt sich leicht schließen, dass Dominanz eine zentrale Rolle für die männlichen Pyroleo spielt. Es handelt sich um stolze Pokémon, die alles Erdenkliche tun würden, um ihren Status als Alpha-Männchen der Familie zu wahren. Dies schließt auch Tötungsversuche gegen den eigenen Nachwuchs, Leufeu, ein, nachdem dieses erwachsen wird und sich entwickelt, und die Dominanz des Vaters zu überbieten droht. Wir haben sogar einige tragische Fälle miterlebt, in denen die Mutter das unglückliche Schicksal teilte, als das männliche Pyroleo einem Tobsuchtsanfall erlag. Es sei daher Vorsicht geboten, denn diese Lieblingsattraktion der Kinder im Pokémon-Zoo verdient ganz gewiss keine Auszeichnung für Elternkompetenz.


Schlussworte

Dies waren einige der Paradebeispiele von Pokémon-Eltern, denen wir auf unserer Reise begegnet sind. Wer weiß, welche weiteren Entdeckungen uns noch in diesem spannenden Themenbereich erwarten. Eine Sache, jedoch, ist sicher: Pokémon-Biologen aus aller Welt werden auch weiterhin danach streben, die überraschende Welt um uns herum zu erforschen und zu erkunden, und die allgemeine Neugierde so weit wie möglich zufriedenzustellen!

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